„Ich verstehe alle, die nach Schmerzmitteln fragen“

Dr. Matthias Marquardt - Blog - Fettstoffwechsel

SPORTMEDIZIN

„Ich verstehe alle, die nach Schmerzmitteln fragen.”

Auf Vorträgen weise ich mitunter darauf hin, dass Voltaren® in allen Darreichungsformen ja auf jedem Läufernachttisch zu finden sei – und ernte damit viel Gelächter. Orthopädische Probleme sind bei Sportlern verdammt häufig. Aber dieser breit angelegte Schmerzmittelmissbrauch macht mir Angst.



Bei Marathons soll ein Drittel der Starter mit Schmerzmitteln ins Rennen gehen. Medizinisch ist das ein Problem. Mittel wie Ibuprofen und Diclofenac können Schmerzen an Gelenken lindern, verursachen aber mitunter Magenblutungen und bei Stress und Dehydratation im Wettkampf auch Nierenversagen. Beides ist lebensbedrohlich. Einzuwenden ist, dass Ausdauersportler nicht wie die Fliegen an Nierenversagen sterben, aber ehrlich gesagt ist ein einziger schon zu viel. Mir scheint, hier tut Aufklärung Not. Vor allem weil die Medikamente bei Sehnen(ansatz)reizungen und Faszienproblemen kaum wirken. Antirheumatika helfen am besten, je ausgeprägter eine Entzündung ist (dickes, rotes, heißes Knie). Ist der breite Einsatz an der Freizeitsportfront also überhaupt sinnvoll? Oft ist so eine Tablette ja eine für den Kopf. Ich erinnere mich an mein erstes und einziges Rennen unter Schmerzmitteln vor 20 Jahren. Ich hatte viel trainiert, wollte Landesmeister werden und bekam ein Schienbeinkantensyndrom. Ab zum Sportarzt. Dort bekam ich zwei dicke Tabletten (Diclo und Ibu zusammen, völliger Quatsch). Begründung für beide Parteien: Ich hatte ja so lange trainiert, jetzt sollte ich das auch umsetzen können. Ergebnis: Ich kam mir sehr professionell vor (der Arzt sich womöglich auch), die Schmerzen waren trotzdem da, dank Adrenalin aber egal, und Landesmeister wurde ich nicht, weil die anderen schneller waren, was aber nicht an meiner Schienbeinkante lag. Die Zwickmühle des Sportlers, der lange für ein Ziel trainiert hat, kenne ich also. Vor 20 Jahren war die Welt diesbezüglich definitiv nicht in Ordnung, wie ich selbst bewiesen habe. Doch angesichts der heutigen Verbreitung von Schmerzmitteln im Sport stellt sich die Sinnfrage immer mehr. Und was mache ich daraus? Heute, als Arzt? Selbst habe ich nie wieder Sport unter Schmerzmitteln gemacht. Aber ich habe Verständnis für alle, die in meiner Praxis verzweifelt danach fragen, um doch noch den Marathon laufen zu können, der ihnen so wichtig ist. Dann sind Gespräche gefragt, bei denen ich nicht mit zweierlei Maß messe: Wie viel bringt das wirklich? Gibt es medizinische Alternativen? Was sind die Risiken? Lange Hitzerennen sind im Hinblick auf Nebenwirkungen gefährlicher als kurze Wettkämpfe im gemäßigten Klima. Oft geht es dann auch ohne. Und wenn nicht, hoffe ich durch einen ehrlichen, nicht Moralin­angesäuerten Umgang mit dem Thema auf langfristige Einsicht des Sportlers. Hat ja sogar bei mir geklappt. Landesmeister wurde ich übrigens acht Jahre später.

 

Ihr Dr. Matthias Marquardt


Einmal im Monat schreibt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt im Triathlon-Magazin eine Kolumne zu kontroversen Themen des Laufsports.

 

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Marquardts Meinung - „Ich verstehe alle, die nach Schmerzmitteln fragen“
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