KONSUM
Leider geil, oder doch nicht?
Das hat gesessen. 250 Euro für einen Laufschuh. In den sozialen Medien geht die Nachricht rauf und runter. Jubelgeschrei auf der einen Seite: Innovation. Premium. Haben wollen! Gezeter auf der anderen Seite: Nix Neues. Zu teuer. Braucht keiner!
Jetzt darf man wohl feststellen, dass der Dreikämpfer als solcher nicht eben den Ruf genießt, innovationsfeindlich zu sein. Ganz im Gegenteil: Wir waren die ersten, die in Badehose laufen gingen. Was ich, wie ich immer wieder betone, nach wie vor für eine hervorragende Idee halte. Für aerodynamische Rennmaschinen sind wir durchaus bereit, mittlere bis hohe vier-, hin und wieder auch fünfstellige (!) Summen hinzublättern. Und Pulsuhren haben wir quasi erfunden: 300 Euro muss so ein Ding schon kosten, schließlich weiß dann jeder Kollege und Geschäftspartner, wo der Hammer hängt.
Aber es gibt auch Konsumverächter. Sogar unter Triathleten. Vielleicht seltener, aber es gibt sie. Und ich habe diese Typen immer bewundert, die im Alter von 60 Jahren in alten Tretern und 20 Jahre alten Hosen, die schon beim Kauf am Grabbeltisch der Marathonmesse reduziert waren, antreten, um dich mit einer schlanken „35“ auf den letzten Metern der Zehn-Kilometer- Strecke zu zersägen. Die rechnen dir dann vor, wie niedrig die Produktionskosten für einen 250-Euro-Schuh eigentlich sind und erklären dir, dass das alles Blödsinn sei. Steigen in ihren verrosteten Bulli und fahren mit dem Age group-Sieg im Gepäck nach Hause, während du deinen 6.000-Euro- Hobel in den neuen Mittelklassewagen mit automatischer Einparkhilfe packst und dir wie ein Konsumtrottel vorkommst. Ohne Agegroup-Sieg.
Und wer hat jetzt recht? Ich als Kolumnist, Triathlet und Sportarzt habe dazu natürlich eine wohlbedachte, sinnvolle und vernünftige Haltung. Bei jedem Sportlergespräch nach dem Training bin ich
voll dabei, wenn es heißt, dass elektronische Schaltungen am Rennrad, hydrodynamische Schwimmbrillen oder eben Schuhe für 250 Euro noch keinen Sieger gemacht haben. Ich brauche das
alles nicht! Wirklich! Wenn ich dann allerdings so überlege, wie ich mein Leben angenehmer und stylischer gestalten könnte, dann gelange auch ich zu der Erkenntnis, dass ein Porsche unnütz
ist, aber – völlig objektiv betrachtet – leider geil. Und das gilt dummerweise auch für High-End-Pulsuhren, Premiumfahrräder und Luxuslaufschuhe.
Um auch den konsumfeindlichen Teil meiner (natürlich nur diesbezüglich) gespaltenen Persönlichkeit zu bedienen und mich auch weiterhin als integre Persönlichkeit zu erleben, habe ich das perfekte
Mittel, das ich jedem Triathleten, der gerade 10.000 Euro für ein Fahrrad oder 250 Euro für einen Schuh ausgeben möchte, nur wärmstens empfehlen kann: Argumentieren Sie gegenüber Ihrem
Ehepartner, Ihren Sportkameraden und vor allem sich selbst mit der schwäbischen Hausfrau. „Wer billig kauft, kauft zweimal“. Dieses Totschlagargument hat die Wahrnehmung eines Wahnsinnskauf noch
immer zu der einer rationalen Entscheidung verschoben. Und mal ehrlich: Über wie viele billige Anschaffungen haben sie sich im Nachhinein geärgert. Einige? Und wie viele sündhaft teure
Anschaffungen haben Sie bisher bedauert? Na also!
Ihr Dr. Matthias Marquardt
MEIN TIPP:
Ein Premiumschuh für viel Geld zu laufen kann Spaß machen. Aber Augen auf: Nur weil der Schuh teuer ist, passt er nicht für jeden. Neutralfußläufer brauchen andere Schuhe als Überpronierer. Egal,
was der Schuh kostet!
Einmal im Monat schreibt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt im Triathlon-Magazin eine Kolumne zu kontroversen Themen des Laufsports.