UHRENVERGLEICH
Ist die Pulsuhr der GPS Uhr geopfert worden?
Erinnern Sie noch die Zeiten, in denen quasi jeder Sportler eine Pulsuhr des Marktführers mit roter Start/Stop-Taste hatte? Das war, als man Triathlon noch stolz in Badehose absolvieren konnte.
Immer wieder hat man Sportlern zu dieser Zeit die Vorzüge des Trainings nach Puls erklärt. „220 minus Lebensalter“ sollte den Maximalpuls berechnen, und die Trainingsbereiche konnten bei beispielweise 70 bis 80 Prozent des Maximalpulses für das Grundlagenausdauertraining festgelegt werden. Doch schnell wurde die Pulsuhr zur Spaßbremse: Sobald der Quälgeist zu piepen begann, war das schlechte Gewissen da. Irgendwann hat man die Alarmfunktion lieber abgestellt, damit die Trainingspartner gar nicht erst merkten, dass man im knallroten statt grünen Bereich unterwegs war.
Und heute? Heute sitze ich in meiner Praxis und erlebe Patienten, die fleißig trainieren, ihr Training dokumentieren und Wettkampfziele haben – aber ihr Training nicht nach Puls steuern, sondern einzig und allein auf „die Pace“ schauen. Die Geschwindigkeit ist natürlich im Zweifelsfall eine viel besser vergleichbare Währung als die Herzfrequenz: Was interessiert mich, ob der Vereinskollege die 10 Kilometer mit Puls 163 rennt? Entscheidend ist doch, dass er nicht schneller ist als ich! Keine Abhängigkeit des Messwerts von Alter, Geschlecht, Trainingszustand, Ernährung, Temperatur oder Trainingsbelastung wie beim Puls – deshalb ist die Pace wohl so beliebt. Und die jüngere Generation leitet die Pace der Trainingszonen beim Laufen mir nichts, dir nichts von der Zielzeit ab. Nach dem Motto: Was dem Radfahrer die Wattmessung, ist dem Läufer die Pace.
Ich habe mich daran aber noch nicht gewöhnt. Denn diese neue Art der Trainingssteuerung wird zu mehr Härte im Training führen – und zu einem schlechteren Verständnis für den eigenen Körper. War es nicht damals ein Hinweis auf eine drohende Überlastung, wenn der Puls plötzlich einige Schläge höher lag? Oder auf einen Infekt, wenn über Nacht der Ruhepuls anstieg? Oder auf Übertraining, wenn die Herzfrequenz trotz Belastung nicht mehr stieg? Lernten wir mit der Pulsmessung nicht viel über unsere Ermüdung oder die Reaktionen unseres Körpers auf Hitze, Kälte oder Dehydratation? Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, muss es auch nicht, denn früher war sicher nicht alles besser. Ich aber empfehle meinen Sportlern und Patienten, die nach der „Pace“ trainieren, trotzdem den Puls im Auge zu behalten. Und nun: ab zum Training!
Ihr Dr. Matthias Marquardt
Einmal im Monat schreibt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt im Triathlon-Magazin eine Kolumne zu kontroversen Themen des Laufsports.