Gruß unter Fremden?

Dr. Matthias Marquardt - Blog - Fettstoffwechsel

GESELLSCHAFT

Gruß unter Fremden?

Motorradfahrer legen viel Wert darauf, zum Gruß lässig die Hand vom Lenker zu nehmen. Nicht für jeden natürlich. Nur ihresgleichen wird gegrüßt. Das fördert den Gruppenzusammenhalt gegen die böse Macht der Autofahrer und andere Verständnislose.



Bei Ausdauersportlern gab es eigentlich immer ein ähnliches Brauchtum. Rennradfahrer grüßten Rennradfahrer und Läufer ihresgleichen (Schwimmen lassen wir jetzt mal außen vor). Und noch heute kochen die Gemüter hoch, wenn Ausdauersportler sich nach dem zweiten Bier in trauter Runde über den Verfall der Sitten austauschen, den man – logisch – vor allem an ignoranten Nichtgrüßern erkennen könne. Da wird kopfschüttelnd fehlender Corps-Geist bemängelt. 

 

Ich stelle allerdings – Asche auf mein Haupt – auch bei mir einen nachlassenden Drang fest, die
vielen mir unbekannten Sportler zu grüßen. Das traue ich mich in derartigen Runden allerdings schon lange nicht mehr zu sagen. Schließlich klagt man sich damit selbst des unsportlichen Verhaltens an.

 

Früher war bei mir auch alles besser. Ich lief durch die Lüneburger Heide. Traf man beim Training einen  anderen Läufer, hat man sich fast erschrocken, so selten kam das vor. Man war in seiner Einsamkeit im Wald so verzweifelt, dass man überschwänglich jeden Walker und sogar Fußgänger grüßte. Was – wesentlicher Aspekt – auch daran lag, dass man die meisten wenigstens flüchtig kannte.

 

Heute laufe ich an einem der Hotspots meiner Stadt. Alles voller Läufer. Ein Großteil mit Ohrstöpseln der Außenwelt entrückt. Kennen tue ich kaum einen davon. Und wir grüßen uns ... nicht. Ehrlich gesagt vermisse ich das in solchen Momenten auch kaum. In einem Meer von mir unbekannten Menschen wild um mich zu grüßen, fühlt sich für mich komisch an. Nach zwei Gläsern Rotwein würde ich derart enthemmtes Verhalten möglicherweise hinkriegen. Schließlich war mein Großvater Rheinländer, auch das hilft bei der Kontaktaufnahme. Aber Rotwein und Laufen geht einfach nicht. Geschweige Rotwein und Rennradfahren.

 

Sozialer Kontakt unter Sportlern also künftig nur noch bei Strava und Facebook? Ist Persönliches vorbei? Interessanterweise ändert sich mein Grüßverhalten ad hoc, sobald ich entgegen meiner Gewohnheiten früh morgens laufe. Treffe ich da im Morgennebel einen anderen einsamen Sportler, so grüßen wir uns ganz selbstverständlich. Auch bei Regenläufen, wo nur wenige unterwegs sind, funktioniert dies quasi von allein (und ohne Alkohol). Mit diesem verschwörerischen Grinsen, heute mal wieder besonders diszipliniert und hart zu sein. Sie wissen schon.

 

Braucht es dieses verbindende Element auch für Sie oder grüßen Sie – in sportlicher Manier – alle und jeden? Ich werde in jedem Fall verschwörerisch zurück lächeln, wenn wir uns bei Eisregen im Dunkeln  treffen ...

 

Ihr Dr. Matthias Marquardt

 

MEIN TIPP:

Wussten Sie, dass es Ihre eigene Stimmung hebt, wenn Sie andere Leute glücklich machen? Also grüßen Sie doch mal wieder fremde Trainingskollegen!


Einmal im Monat schreibt der bekannte Internist und Laufexperte Dr. Matthias Marqardt im Triathlon-Magazin eine Kolumne zu kontroversen Themen des Laufsports.

 

 www.tri-mag.de



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Marquardts Meinung -- Gruß unter Fremden?
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